Zu fotografieren begann Kjartan Einarsson bereits mit sieben. Damals schenkte ihm sein Vater eine kleine Kodak, eine Kompaktkamera für analoge Filme. Er verbrachte den Sommer damit, die 24 Bilder auf seinem Film vollzuknipsen. Bei der Entwicklung wartete er auf ein Foto ganz besonders – eine Aufnahme von einem Trompeter vor der isländischen Flagge. Das Bild war missglückt, und Kjartan erinnert sich noch genau, wie er dachte: „Das kann ich besser!“

Auch heute fotografiert und entwickelt er gerne analog. Die Ansprüche an seine Kunst sind natürlich mit den Jahren immer weiter gestiegen.

„Man muss für jedes Projekt das richtige Medium finden“, erläutert Kjartan Einarsson bei unserem Gespräch. Deutlich wird das zum Beispiel an seinen aktuell in der Leitstelle ausgestellten Blätterbildern. Die Blätter für seine Fotografien hat er gesammelt, gepresst und für die Fotos von hinten beleuchtet. Um das richtige Papier für die spätere Vergrößerung zu finden, experimentierte Kjartan Einarsson lange herum. „Es ist ein Spiel mit Farbe und Form. Bei jedem Bild wieder“, erklärt er seine Arbeit an dem Projekt. Auch über die Entstehungsgeschichte der Blätterbilder sprechen wir. Vor seinem alten Atelier in der Weststadt wartete im Herbst immer ein großer Haufen Blätter auf ihn. Jeden Morgen beseitigte er den Blätterhaufen, bevor er sich an die Arbeit machte. Irgendwann fiel ihm ein besonders schönes Blatt ins Auge. Von einem ersten Fotografierversuch enttäuscht, begann er, zu experimentieren, wie sich Farbe, Form und Struktur am besten einfangen lassen. Die Ergebnisse seiner Arbeit sind noch bis zum 30. Mai in der Leitstelle zu sehen.

Nach dem Abitur wanderte der gebürtige Isländer aus. Zunächst nach Finnland, wo er 1993 sein Studium an der Kunsthochschule aufnahm. „Damals war alles noch analog. Ich besuchte Kurse in Fotografie, aber auch in Malerei, und ich lernte, welche Rahmen ich für welches Bild benutzen sollte“. Wissen, das er heute noch anwendet. Für viele seiner Aufträge stellt er nicht nur die Fotos her. Er baut auch die Rahmen selbst, und schneidet das optimale Passepartout mit der Papiermaschine zu. „Ich mache gerne alles von Anfang bis Ende. Dann habe ich genaue Kontrolle über die Qualität der Arbeit“, sagt Kjartan Einarsson und lächelt dabei. Diesen Aufwand kann er nicht für alle Aufträge betreiben, und das will er auch gar nicht: „Viele Kunden brauchen die Fotos ja vor allem für die Digitalen Medien. Da wäre analoge Fotografie fehl am Platz“. Dennoch zeigt er, an einem seiner Vergrößerer stehend, die besondere Atmosphäre der analogen Fotografie. „Die Silberpartikel sind nicht gleich verteilt, und die Linsen der Kameras nicht so scharf geschliffen wie heute. Das macht zum Beispiel eine unglaublich schöne Unschärfe in den Bildern. Etwas ganz Besonderes“.

Kjartan Einarsson weiß, wovon er spricht. Als er begann, in Schweden als Fotograf zu arbeiten, bot er bald auch Workshops an. Bereits kurze Zeit später gab er mehrere Lehrveranstaltungen. Um sich nach wenigen Jahren etwas unfällig in einer festen Lehreranstellung zu finden. „Die Verbeamtung“, sagt Kjartan ernst, „war auf die Dauer nichts für mich. Ich wollte zwar lehren, aber ich brauche auch Zeit für meine eigene Kunst.“ Die ideale Kombination hat er nun für sich ermittelt: „Ab Ende April gebe ich wieder Workshops in analoger Fotografie. Die Warteliste ist lang“, freut er sich. „Mein Plan ist, zukünftig pro Monat eine Veranstaltung zu machen“.

Und was werden wir dieses Jahr sonst von Kjartan sehen? „2016 gehöre ich vor allem meinem Neckar-Projekt. Der Neckar ist die Lebensader Baden-Württembergs. Die Industrie, das Handwerk, die Wirtschaft – so vieles haben wir dem Neckar zu verdanken.“ Für seine geplanten Fotos wird Kjartan den Neckar mit einem Faltboot erkunden. Die Idee dazu kam ihm durch eine alte Fotografie. „Auf dieser ziehen Pferde verschiedene Lasten den Neckar hoch, und ich dachte: Das will ich darstellen! Nicht nur das Element Wasser, sondern auch und gerade die Nutzung.“ Auf das Ergebnis des spannenden Projektes werden wir allerdings noch warten müssen. „Ich möchte das gut machen, und werde mir so viel Zeit nehmen wie nötig“, lächelt Kjartan. Eine gute Einstellung für Kunstschaffende.